quarta-feira, 8 de agosto de 2018

Zusammenbruch

Trechos de Krieg (1928), de Ludwig Renn.


ZUSAMMENBRUCH

"Unerfreulich!" sagte er nach einer Weile. "Die Lage an der Front scheint auch recht bedenklich zu sein."

"Ich habe die Frontbewegungen nicht verfolgt, Herr Leutnant."

"Lesen Sie denn keine Zeitungen?"

"Nur selten, und dann versteht man nichts."

Er sah mich forschend an. "Da wissen Sie wohl auch nichts von dem deutschen Friedensangebot?"

"Ich habe gehört, dass man sich darüber aufregt. Aber ich verstehe nicht, weshalb."

"Nu, es ist doch ein Eingeständnis unserer Schwäche!" fuhr der Leutnant auf.

Ich wollte mich nicht mit ihm streiten. Es war mir auch ganz gleichgültig, was man darüber sagte, wenn nur der Krieg zu Ende ginge! Ich hatte auch noch nie über Politik nachgedacht. Ich hatte einen Ekel davor, wie vor etwas Schmutzigem.

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In einer kleinen flandrischen Stadt stiegen wir nach mehreren Tagen Bahnfahrt aus und marschierten bei Sonnenschein auf einer flachen Straße, rechts und links Gemüsefelder mit blauen Kohlköpfen auf moorigschwarzer Erde.

Ich marschierte vorn, der Leutnant hinten. Die Leute schwatzten und schimpften so laut, dass wir es verstehen mussten. [...]

Ein paar niedrige Ziegelhäuser kamen, neben denen vier Bäume seltsam hoch aussahen.

Wir kamen in einen größeren Ort. Auf dem viereckigen Marktplatz verteilte der Regimentsschreiber den Ersatz auf die Bataillone.

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Ich wartete von Tag zu Tag, was mit mir werden sollte. Das Regiment war winzig klein geworden. An einer Stelle, irgendwo vorn, war ein ganzes Bataillon umzingelt und abgefangen worden, anderswo die erste und die dritte Kompanie mit dem Bataillonsstab. Offiziere fremder Regimenter waren herversetzt worden, die niemand kannte. Zwei der Bataillonskommandeure waren eigentlich Kavalleristen. Jetzt sollte ein Reserveregiment aufgelöst und damit unser Regiment aufgefüllt werden.

Die Geschäftszimmer, bei denen ich war, lagen etwa fünfzig Kilometer hinter der Front und verkehrten mit der Front und den Feldküchen durch Boten auf Fahrrädern, die meist erst am nächsten Tage zurückkamen.

Die Ersatzmannschaften, die ich mitgebracht hatte, bummelten in den Straßen umher und gingen ins Kino. [...]

Wir traten auf dem Marktplatz an. Die Ersatzmannschaften waren sehr still. Vielleicht fürchteten sie sich vor dem Bataillon, das angekündigt war, und wollten erst einmal das Weitere abwarten. [...]

Im nächsten Ort traten wir in eine große, leere Scheune, die merkwürdig schwarz aussah, und warteten, dass der Gewitterguss vorüberginge.

Gegen Abend kamen wir in eine kleine Stadt mit engen Gassen. Es ging auf schmalen Brücken über Kanäle mit langsam fließendem Wasser, auf dem Lastkähne lagen.

Auf einem Platze hielten wir. Mehrere Offiziere kamen aus einem Hause. Ich kannte keinen von ihnen.

"Vizefeldwebel Renn zur sechsten Kompanie!"

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Mehling sah mich aus offenen, braunen Augen an und erklärte mir mit wenigen Worten alles. Er war der erste klare Mensch, seit ich wieder im Felde war.

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Wir blieben mehrere Tage in der Stadt. In der Ferne hörten wir manchmal ein Murren von Kanonen. Vor uns lag noch eine Division. Wir stellten nur einige Posten nach rechts, weil man unserer Nachbardivision nicht traute. Angeblich hatte sie sich mit der Bevölkerung verbrüdert.

In der Stadt waren alle Läden offen. Da gab es Zwirn und weiße Semmeln. Ich kaufte mir gleich welche und aß in einer Konditorei ein Stück echten Kuchen. Das alles gab es ja seit Jahren in Deutschland nicht mehr.

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In den ersten Tagen des November kam der Befehl, nach vorn abzumarschieren.

Zu Mittag kamen wir gegen einen kleinen Ort mit Bäumen und niedrigen Häusern. Alle paar Minuten ging ein Schuss nach dem Straßenkreuz. Wir liefen, eine Gruppe nach der andern, über das Straßenkreuz weg nach einer Feldscheune, in der wir mehrere Stunden blieben.

Gegen fünf Uhr nachmittags trafen zwei schwere Maschinengewehre bei uns ein. Wir nahmen auch unsere leichten Maschinengewehre vom Wagen und rückten an einem Bahndamm entlang vor. Es begann dunkel zu werden.

Düstere Häuser unter hohen Bäumen. Vielleicht zweihundert Meter vor uns krachten Granaten. Rasseln von Wagen. Zwei Geschütze jagten nach hinten an uns vorbei.

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Wir legten uns in einen ziemlich verfallenen Stall, in dem einige Rinder standen.

Nach zwei oder drei Stunden wurde der Rückmarsch befohlen. Es war stockdunkel.

Sehr müde kamen wir nach Mitternacht in ein Dorf und nächtigten in einer Kirche auf Stroh.

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Zwei Tage später rückten wir wieder ein Stück vor. Wir waren Reserve. Vor uns hatte das erste Bataillon eine Stellung längs eines Kanals besetzt.

Bei Sonnenschein rückten wir über eine Höhe. Die deutschen Batterien bellten uns gellend in die Ohren. Ab und zu barsten französische Granaten.

In einem Ort sollten wir bleiben. Dort bekamen wir ein kleines, verlassenes Haus zugewiesen, in dem es nichts mehr gab als Wände und teilweise auch Fensterscheiben. Die Offiziere wohnten im nächsten Haus.

Die jungen Kerle begannen gleich wieder vorm Haus im Sonnenschein mit Schinkenklopfen. Unteroffizier Höhle schlachtete hinter dem Hause ein Schwein, damit es der Kompanieführer nicht merkte. Den Leutnant Hanfstängel wollten seine Leute nachher vom Kompanieführer weglocken und ihm auch Wellfleisch geben. Ihn hatten die Leute, glaube ich, weniger deshalb gern, weil er auch vergnügt blieb, wenn es schoss, als weil er so fein und jung war.

Zu Mittag kam die Feldküche mit Rindfleisch. Eine Stunde später gab es hinter dem Hause Höhles Schwein. Wir waren dann kurzatmig vom vielen Essen und legten uns aufs Stroh.

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Auf der Straße kam mir der Kompaniefeldwebel entgegen.

"Guten Morgen!" sagte ich. "Die Leute schreien nach ihrer Löhnung. Hier gibt's soviel zu kaufen, und sie haben kein Geld mehr."

"Wie soll ich denn das machen?" rief er erregt.

"Wieso? Sie kriegen doch das Geld vom Zahlmeister?"

"Nein, keinen Pfennig! In der Etappe ist ja der Teufel los. Wir Feldwebel haben vor drei Tagen einen Boten zum Zahlmeister hintergeschickt, er ist noch nicht wieder da. - Die Leute in der Etappe taugten ja schon immer nichts, aber jetzt sind's die reinsten Räuberbanden geworden! Besonders in Brüssel! Natürlich lauter Drückeberger!"

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In der Nacht hatte eine Granate einen Mann und eine Frau des Dorfes erschlagen. Am Morgen rückten wir weiter vor.

Auf ein Straßenkreuz ging alle paar Minuten ein Schuss, aber so genau immer auf denselben Fleck, dass wir nur auf das Feld zu biegen brauchten und dann wieder auf die Straße.

Vorn war ununterbrochenes Rollen und hier und da Bersten. Mir war beklommen zumut. Ich hatte gedacht, wir würden nicht noch einmal ins Feuer kommen; der Waffenstillstand würde früher eintreten.

Wir sahen jetzt über eine flache Höhe die ganze Gegend vor uns. In der Ferne lag ein großes Dorf oder eine Stadt, mit einem kleinen dichten Wald rechts, aus dem große schwarze Granatwolken stiegen. Über dem Dorf lag eine Dunstwolke. Manchmal sah ich auch den Staub auffahren.

Halbwegs zu diesem Ort lag ein kleines Dorf, in das wir marschierten. Wir erhielten drei große Stuben in einem Haus zugewiesen. Die ganze Kompanie war nur fünfzig Mann stark. Die Feldküche fuhr auf den Hof und machte den Deckel auf, um das Mittagessen auszugeben.

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"Die Franzosen haben vorn angegriffen. Sie scheinen einen Offizier und zwei Züge abgefangen zu haben, die vor einem Sumpf lagen. Genauere Nachrichten fehlen noch. Jedenfalls haben sie nur wenig Boden gewonnen. - Es ist möglich, dass wir heute Abend vorn ablösen müssen. Dann erwarte ich, dass der Geist der Unterordnung unter die Fronterfahrung stärker sein wird als kleine Bedenken des Augenblicks!"

Er entließ uns durch Neigen des Kopfes. Wir gingen stumm hinaus. Schubring hatte also kein Vertrauen zu uns? Das brachte mich auf. Habe ich deshalb versucht, deine saudummen Befehle so gut wie nur irgend möglich auszuführen, dass du mich dann beschimpfst?

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"Die Leute sagen, morgen Mittag wäre Waffenstillstand, und heute um sechs würde die Stellung hier geräumt, da hätte's keinen Zweck, sich noch zum Krüppel schießen zu lassen! Ich hab die Bande gehörig angeniest. Ich hab sie auch gefragt, ob sie nicht Offiziere hätten. Nee, sagten sie, der letzte wäre vorgestern Nacht in einem Haus erschlagen worden."

[...] "Was hat das nur für einen Sinn", sagte Hanfstängel, "jetzt noch so auf den Stellungen herumzutrommeln und gar noch anzugreifen? Macht es denn denen da drüben Spaß, nur ja noch einige totzumachen, solange es noch völkerrechtlich erlaubt ist?"

[...] Es begann zu dämmern. Der Mond kam. Das Artilleriefeuer schwieg von deutscher Seite ganz. Wahrscheinlich waren unsere Batterien schon abgerückt, damit später die Straßen für die Infanterie frei wären. Die französische Artillerie schoss auch nicht mehr so heftig.

Um sechs Uhr rückten wir ab, ausgeschwärmt über das Feld. Freute ich mich? Ich fragte mich selbst danach. Ich fühlte mich befreit von der ständigen Furcht der letzten Jahre. Aber sonst? Ich wusste nicht, was der Waffenstillstand für Folgen haben würde, und war unruhig. Aber die Nacht war schön.

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Wir waren die ganze Nacht durch marschiert und kamen bei Morgengrauen in eine enggebaute, kleine Stadt mit düsteren Häusern. Mein Zug lag im Hintergarten einer Villa, in dem nur noch einzelne Blumentöpfe mit spärlichen Gewächsen am Boden standen. Wir schliefen bis Mittag. Am Nachmittag standen wir auf der Straße herum.

"Herr Feldwebel!" kam Mehling lachend. "Hier sind Strafgefangene gewesen, mehrere Kompanien. Die sind von ihren Bewachungsleuten freigelassen worden. Und die Strafgefangenen haben sich auf einen Verpflegungszug, der auf dem Bahnhof stand, gestürzt und haben die ganzen Vorräte an die Einwohner verkauft. Eine Kompanie unseres Regiments hat eingreifen müssen."

[...] "Die Meuterer haben unsere Feldbäckereikolonne aufgelöst und in die Heimat geschickt."

"Was? Woher kriegen wir denn da Brot?" fragte Höhle.

"Das müssen wir uns selbst backen. Und dazu hatte uns das Generalkommando den Zug mit Mehl und Zucker und anderen Vorräten hier stehen lassen."

"Wie sollen wir denn auf dem Marsch backen?"

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Die Offiziere hatten lange Besprechungen. Dann kam der Kompanieführer und rief die Kompanie um sich. "Ich habe Ihnen mitzuteilen, dass in Deutschland die Revolution ausgebrochen ist. Seine Majestät der Kaiser hat sich nach Holland begeben, ebenso der Kronprinz. - Die Division hat befohlen, dass in jeder Kompanie drei Vertrauensleute zu wählen sind. Die Züge teilen mir bis morgen je einen mit. Ich bemerke noch, dass diese Vertrauensleute keine Soldatenräte sind wie in Russland, sondern dass sie lediglich das Vertrauen zwischen Offizier und Mann noch mehr festigen sollen."

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Am Morgen schickte ich noch einmal eine Patrouille dorthin. Die kam schon nach zwanzig Minuten wieder. "Herr Feldwebel, jetzt stehen belgische Posten an der Brücke!"

Ich schrieb darüber sofort eine Meldung an den Kompanieführer, schickte sie ab und saß in Ungewissheit da. Aber ich erhielt keine Antwort.

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Am nächsten Morgen marschierten wir ab. Es war kalt geworden. Aber die Sonne schien. Die breite Straße lief gerade durch eine flache Landschaft, die munter aussah. Am Nachmittag wurde sie unfreundlich. Die Bäume erschienen mir grau, und der Ort, in den wir marschierten, sah ungastlich aus. An der düstern Kirche lehnten Maschinengewehre. Geschütze aller Art standen auf dem Friedhof.

Eine unserer Maschinengewehrkompanien hielt davor und schaffte ihre Maschinengewehre hinein. Das waren Waffen, die nach dem Waffenstillstandsvertrag den Feinden auszuliefern waren. Die würden sie im Regen stehen lassen, und bald wäre alles altes Eisen.

Wir marschierten wohl zwei Wochen lang durch das flandrische Belgien und kamen dann in den französisch sprechenden Teil. Wir marschierten immer als ständige Nachhut einen Tagesmarsch vor den uns folgenden Feinden. Vor den Häusern standen Zivilisten, sahen voll Hass nach uns und schimpften.

[...] Die Stimmung gegen die Revolutionäre wurde noch schärfer, vor allem durch Höhle und den Gefreiten Mann geschürt, während Herrmann, der Sozialdemokrat, versuchte, die Stimmung lau zu erhalten. Dieser Herrmann mit seinem immer mürrischen Gesicht war wie ein kleiner Beamter und gegen jede entschiedene Tat.

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Erst spät kam Mehling aus Lüttich zurück und erzählte, dass die ganze Stadt beflaggt wäre. Franzosen, Engländer und Belgier waren schon dort. In den Cafes saßen sie. Die Marseillaise wurde gespielt und hurra geschrieen.

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Am nächsten Morgen ging es auf einer langen Brücke über die Maas, die hier ein recht stattlicher Fluss ist. Dann schlängelten wir uns am andern Ufer Stunde über Stunde die Höhen hinauf. Bei Dunkelwerden marschierten wir in ein Tal mit einem Kirchdorf drin. Es war kalt.

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Am Nachmittag marschierten wir ab und kamen bei Anbruch der Dunkelheit nach Aachen. Alle Häuser waren beflaggt. Unsere Musik spielte ein Stück vor uns, und die Trommel schlug sich an den Häusern, aus denen Menschen sahen. Menschen begleiteten unseren Marsch.

Wir waren die letzten deutschen Truppen vor den einrückenden Belgiern und Franzosen.

Am Tage darauf rückten wir auf den Bahnhof und warteten da bei strömendem Regen auf den Zug. Es war längst Nacht geworden, als er eintraf. Es waren alles Viehwagen mit Schiebetüren. Wohin wir fuhren, wussten wir nicht, nur, dass es noch nicht gleich nach Hause ging.


Mais:
http://en.wikipedia.org/wiki/Hundred_Days_Offensive
http://www.dailymail.co.uk/news/Prince-William-Theresa-Battle-Amiens-centenary.html